Fahr zur Hölle mit deinem Geld! Denkst du wirklich, dass man Gottes Geschenk kaufen kann? Apostelgeschichte 8,20
Ein Murmeln geht über den Platz im Herzen der Stadt. Ein Raunen, ein Zischen, ein Grummeln. „Wir haben ein Recht auf das Beste. Ein Recht haben wir auf ordentliche Straßen und ausreichend Parkplätze. Wir haben ein Recht auf billiges Telefonieren und billige Flüge. Wir wollen Erdbeeren allezeit, wir haben ein Recht auf Qualität. Ein Recht auf ordentliche Bildung haben wir (aber nicht zuviel), wir wollen Fernsehen auf 94 Sendern, wir haben ein Recht auf Unterhaltung. Wir wollen genauso viel wie unsere Nachbarn, gleiche Satellitenschüsseln für alle! Ein Recht auf ein erstklassiges Leben haben wir, jawohl!“ Ihre Gesichter sehen verbissen aus, wie sie einzeln durch die Straßen eilen. Da stellt sich ein Mann auf eine Bank. Sein Mantel flattert im Wind.
„Ihr habt auf gar nichts, aber auch auf überhaupt nichts ein Recht. Versteht ihr? Euer Leben ist ein Geschenk, Glück gehabt, dass Ihr diesen wunderbaren Stern besuchen dürft, wunderbar, wie lange Ihr bleiben könnt. Ihr Kleinkrämer, Ihr Neidversessene! Was für ein Glück Ihr habt, dass Ihr Krokusse und Regenbögen saht, dass Ihr ein paar sternenklare Nächte erlebtet, dass das Meer zum Schwimmen und der Himmel zum Gucken einlädt. Wunderbar, dass ihr die Gelegenheit habt, Himbeeren zu kosten, eine Nachtigall zu hören und Beethovens Violinkonzert. Dass es Katzen gibt, die um eure Beine schnurren und dass Mücken nur kleine Stachel haben. Welch ein Glück, dass Ihr Ohren habt und sogar Augen oder dass Ihr fühlen könnt, zum Beispiel, dass ein Schafsfell viel weicher ist als ein Schieferstein. Wunderbar, dass Ideen durch eure Köpfe toben und ihr jede einzelne von ihnen beim Wort nehmen könnt. Ihr habt Menschen getroffen, die es gut mit euch meinen. Ihr könnt euch verlieben! Euer Herz pocht, ihr lebt. Ihr könnt Lachen und Weinen, denn wer weint, lässt sich berühren. Und der Schlaf, vergesst nicht den Schlaf. Wie großartig, acht Stunden in einen Traum zu fallen, acht Stunden vergessen zu dürfen, nicht denken, nicht planen, nicht sorgen. Und ihr seid bisher jeden Morgen wieder aufgewacht, und ein neuer Tag legte sich vor eure Füße. Bitteschön. Ich gehöre dir. Mach mit mir, was du willst. Die Fantasie, ihr habt die Fantasie, in der alles möglich ist. Eine Welt nach euren Entwürfen, unendlich oft verwandelbar. Ihr könnt Geschichten erfinden und Leben und das Unmögliche. Und die Lieder, vergesst die Lieder nicht. Ihr könnt singen zu eurem Vergnügen.
Und dann sind da noch die Glühwürmchen in der Nacht, die für euch leuchten und die Linden, die duften, genau wie die Straßen nach einem großen Regen.
Das alles, das alles ist für euch.
Aber ein Recht darauf?
Ein Recht darauf, das gibt es nicht!“
aus: Soviel du brauchst, Kreuz Verlag
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