Ich mag Listen. Einkaufslisten, To-Do-Listen, Bestenlisten. Man kann der Meinung sein, dass Leute, die Listen brauchen, geistig etwas minderbemittelt sind. Dass sie vergessen, was sie wollten und es deshalb aufschreiben. Ich sage: Nein. So ist es nicht. Ich bin nicht doof. Ich befinde mich in bester Gesellschaft. Selbst Gott, der Unergründliche, hat eine Liste genutzt, gleich zu Anfang. Er hätte ja auch alles auf einmal erschaffen können: Das Licht, das Gras, die Regenwürmer und die Nudelmaschine. Für einen Allmächtigen sollte das möglich sein. Stattdessen machte er die Dinge nacheinander. Erst das Licht, dann das Wasser und schließlich die Erde, aufgelistet und nachzulesen im ersten Buch Mose.
Ich glaube nicht, dass Gott eine Liste brauchte, weil er sonst etwas Wichtiges vergessen hätte. Sie ist vielmehr ein Bekenntnis: So soll sie sein, die Welt. So und nicht anders. Er hat aus der Unendlichkeit an Möglichkeiten eine ausgewählt. Er brachte Ordnung ins Chaos.
Denn die Welt ist unüberschaubar. Chaos lauert überall, nicht nur in der Sockenschublade. Es ist schön und bedrohlich zugleich. Die bedrohliche Seite erschließt sich sofort: Alles könnte einem über den Kopf wachsen. Wenn da nicht die andere Seite wäre: Chaos fordert unseren Möglichkeitssinn heraus. Im Gegensatz zum Tausend-Teile-Puzzle gibt es nämlich für die meisten Dinge kein einzig richtiges Ergebnis, sondern viele Möglichkeiten, und wer immer das Chaos ordnet, entscheidet, welche wird. Chaos ist eine Aufforderung des Lebens: Sei kreativ. Sei die Schöpferin deiner Welt. Vieles kann werden, du darfst dich entscheiden. Listen sind Entscheidungshilfen. Wer sich in einen dunklen Raum setzt und zehn Sachen aufschreibt, die er sieht, der wird sehen. Mehr als gedacht.
Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Da wurde aus Abend und Morgen der erste Tag.
erschienen in Welt der Frau (www.welt-der-frau.at), gekürzt
Kommentar schreiben