Kiwitorte und die Wahl

Es ist Sonntagnachmittag. Ich habe diesen Geruch von Bohnenkaffee und Kiwitorte in der Nase, wie es ihn nur bei meinen Großeltern gab. Er wehte mir schon im Treppenhaus entgegen, bevor ich auf dem grünen Sofa Platz nahm.

An solchen Nachmittagen haben wir viel über den Krieg geredet, die Nazizeit. Mein Opa hat sich im Nachhinein immer wieder gefragt, wie es nur so weit kommen konnte. Kopfschüttelnd sehe ich ihn vor mir sitzen, die Stirn zerfurcht.

Ich frage mich, was er heute sagen würde, wenn er wüsste, dass eine Partei zur Wahl steht, die in die Freiheit von Kunst und Presse eingreifen möchte. Die Homosexuelle zählen lassen und Kinder mit Behinderungen von anderen trennen will. Die Schusswaffen gegen Flüchtlinge einsetzen und die „Eliten aus den Parlamenten, aus den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehäusern prügeln“ will. Ich frage mich, was er sagen würde, wenn er hörte, dass jeder zehnte Deutsche diese Partei wählen würde.

Ihm bliebe die Torte im Hals stecken. Mir auch.

Ist das wirklich das Deutschland, in dem Ihr leben wollt?

 

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Kommentare: 10
  • #1

    H. Federau (Montag, 14 März 2016 09:36)

    Hallo, Frau Niemeyer. Ihre Seite gefällt mir. Aber Politik mag ich hier nicht lesen. Gruß - F. Federau

  • #2

    *freudenwort (Montag, 14 März 2016 09:55)

    Lieber Herr (oder liebe Frau) Federau,
    das freut mich, dass Ihnen meine Seite gefällt. Dies ist keine politische Seite. Aber ich glaube, dass Glauben sich auf das Alltagsleben auswirken muss. Sonst wären christliche Werte ja nur leere Worte. Denken Sie nur an die großen Vorbilder wie Dietrich Bonhoeffer, die Geschwister Scholl oder den Leipziger Pfarrer Christian Führer. Gottes Welt soll ja nicht im Himmel stattfinden - sondern auf der Erde. Lassen Sie uns zusammen dafür sorgen.

  • #3

    Hamburgerin (Montag, 14 März 2016 15:11)

    Tolle Worte mit Kiwi- (und Nach-)Geschmack und gute Antwort an #1.
    Danke, liebe Susanne Niemeyer!
    Ich bin immer wieder gerne hier und nehme Denkanstöße mit. Herzliche Grüße*

  • #4

    Cornelia (Montag, 14 März 2016 22:17)

    Ja, vielen Dank liebe Frau Niemeyer,
    Sie sprechen mir wieder mal aus der Seele. Christliche Werte dürfen (und müssen) spürbar und lebbar im Alltag sein.
    Und ich glaube fest daran, dass es meine Pflicht als christliche Bürgerin (und als Pfarrerin) ist, das auch mutig zu bekennen.
    Danke für Ihre couragierten Worte.
    Sie machen mir Mut.
    Herzliche Grüße,
    Cornelia Stadler

  • #5

    *freudenwort (Dienstag, 15 März 2016 09:39)

    Danke meinerseits, dass ich hier nicht allein stehe :-)

  • #6

    Gabriele Gostner-Priebe (Dienstag, 15 März 2016 16:40)

    Herzliche Grüße aus dem grünen Baden-Württemberg -
    es waren hier mehr als "jeder zehnte". Zu viele haben sich für eine Partei
    entschieden, die Sprache für ihre Zwecke missbraucht.
    Schreiben Sie weiter dagegen an, achtsam und fantasievoll!

  • #7

    SB (Mittwoch, 16 März 2016 17:55)

    LIebe Frau Niemeyer,
    auch von mir Danke für Ihre klaren Worte.
    Dieses Wahlergebnis ist schon ein wenig beängstigend.
    Ich glaube, viele vergessen wirklich, wie gut wir es in unserem Land haben.

  • #8

    Frauke (Mittwoch, 16 März 2016 18:35)

    Liebe Susanne, zu deiner Entgegnung #2 fiel mir dieser Text von Bonhoeffer ein: https://fraukeundlars.de/dietrich-bonhoeffer-protest/ Danke für deinen Protest in Worten. Frauke

  • #9

    *freudenwort (Donnerstag, 17 März 2016 08:43)

    ... der Bonhoeffer-Text (#8) ist großartig. So klare und gleichzeitig poetische Worte. Danke, Frauke!

  • #10

    Löwin (Sonntag, 20 März 2016 22:58)

    Voschlag: Lest doch alle mal das Buch "Große Freiheit. Die Geschichte des Wasserwandlers". Das neue Jesus-Buch von Susanne Niemeyer und Matthias Lemme ist gerade im ADEO-Verlag erschienen: Hamburg und neue Bundesländer statt Galiläa, Rechtsradikale Law-and-Order-Menschen statt Pharisäer, Ottenser Cafe statt Brunnen in der Mittagshitze in Samarien, Prügelattacke von Rechtsradikalen statt Enthauptung Johannes des Täufers, Bauwagensubkultur und ostdeutsche Platte statt See Genezareth, Kirchengemeinderat statt Hohepriester....... Dazu: Das Vater unser und die Bergpredigt frei und treffend übersetzt in unsere Sprache heute. Leichtigkeit mit Tiefgang gepaart. Unsentimental, sprachlich gelungen, mit vielen tollen Ideen die alten Bibelgeschichten ins Heute geholt. Die Radikalität des Evangeliums ebenso wie seine Menschenfreundlichkeit werden sehr anschaulich, und spannend zu lesen ist es außerdem. Die manchmal nervtötend hohe Weichspülerdosis von Veröffentlichungen zu "Gottes Reich und Anderen Zeiten" ist hier nicht zu finden - wohltuend der deutlich politischere Einschlag in diesem Buch. Der Titel ist eine nette Hamburgensie und passt gut zum Buch, das durchweg dazu anregt, sich mit dem eigenen Glauben und seinen Konsequenzen für das Alltagsleben auseinanderzusetzen. Ich finde: Das Buch ist gut zu lesen, es provoziert und bewegt. Ich habe es an einem Tag verschlungen. Also deutliche Emfpehlung, es für sich selbst zu kaufen. Und es ist ein tolles Geschenk für Konfirmanden, Konfirmandeneltern, suchende Geburtstagskinder, Glaubende, Pastoren mit zuviel Patina - und alle (vermuteten) AFD-Wähler........

 

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