Palmsonntag

Jesus war ein Narr. Er hätte es zu etwas bringen können. Er hätte Karriere machen können. Als Gelehrter. Als Politiker. Vielleicht auch als Therapeut.

Netzwerkend mit den Einflussreichen. Willkommen in den Häusern der Angesehenen. Stattdessen brüskierte er sie alle. Ließ keine Fünfe gerade sein. War anstrengend. Im Zorn warf er ihre Tresen um und ihre Gewohnheiten. Zugleich zeigte er seine Schwächen. Für schöne Frauen und gutes Essen und unglückliche Menschen. Er weinte schon mal in der Öffentlichkeit. Er hielt seinen Spiegel vor ihre Gesichter, so nah, wie sich niemand vor Augen haben wollte. Er störte die Ordnung, die Gewissheit, die Sicherheit. Nicht genug, dass er Kranke heilte. Er zeigte ihnen ihre Stärke. Seine Wunder beschränkte er nicht auf das Notwendige. Er sorgte für guten Wein und Fische im Netz, mehr als man essen könnte. Er spazierte übers Wasser und zeigte einem Freund, wie das geht. Geld interessierte ihn nicht, er rechnete mit Gott. Ärgerlicherweise schien er dennoch kein Moralapostel zu sein. Er wusste zu feiern und zu genießen. Das Himmelreich habe längst begonnen, sagte er. Nämlich hier. Das ist mehr als Mut, das ist Übermut, und der ist unberechenbar. Er hält uns zum Narren. Er stellt uns ein Bein, während wir Karrieren machen, Kompromisse erfinden, der Ordnung dienen oder der Gewöhnung. Er nimmt unsere Eintönigkeit und macht ein Lied draus, und das Lied singt von Freiheit. Wo kommen wir da hin?

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Meike (Dienstag, 22 März 2016 09:33)

    Großartig!
    Danke, danke, danke

  • #2

    Stefanie (Dienstag, 22 März 2016 10:55)

    Wunderschöne Gedanken, wie Erinnerungen an den echten Jesus.
    Vielen Dank, auch für den Mut, sie aufzuschreiben.
    Ich wünsche Dir und Euch ein lebendiges Osterfest!
    Stefanie

 

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