"Weißt du, was Gottes erstes Wort war?", fragt Opa.
Er kennt lauter Geschichten aus der Bibel. Er hat sie mir alle erzählt. Papa findet das blöd. "Setz dem Kind nicht solche Flausen in den Kopf", sagt er. "Wir leben im 21. Jahrhundert." Opa hat ihm entgegnet, dass diese Geschichten zum Allgemeinwissen unserer Kultur gehören. Ich weiß nicht, was das ist. Aber ich mag die Geschichten.
"Gott sagte ›werde‹." Opa macht eine Pause. "Das ist sein wichtigstes Wort. Es werde Licht. Es werde Land. Es werden Tiere. Und es werden Menschen. So geht es immer weiter. Die Welt ist nicht fertig. Neues kommt. Altes geht. Damit dann wieder Platz für Neues ist. Deshalb müssen wir alle sterben."
Opa ist sehr klug, glaube ich.
"Hast du dein ganzes Leben daran gedacht?"
"Nein", brummt er. "Das darf man auch nicht. Manchmal musst du den Tod aussperren. Du sagst ihm: 'Ich weiß, dass du kommst, aber nicht jetzt.' Und dann spielst du eine Runde Schach oder heiratest ein Mädchen. Während solcher Dinge soll man nämlich an nichts Trauriges denken. Aber ganz vergessen darfst du ihn auch nicht. Er gehört zum Leben."
aus: Wie lang ist ewig? Geschichten über das Leben und Davongehen
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