Poolparty

Im Süden ist es heiß und trocken, die einen kleben auf der Straße fest, die anderen preisen, dass es mal wieder richtig Sommer ist. Ein Sommer, in dem man den Pool im Garten füllen kann und Schirmchen ins Cocktailglas steckt. Was man nicht ändern kann, muss man feiern. „Ihr könnt was ändern“, ruft Jesus, aber die Musik spielt anderswo und Jesus ist sowieso ein Spielverderber. Immer wenn man gerade Spaß hat, erinnert er an die anderen, die keinen Spaß oder keinen Pool haben, erinnert er an die, für die Wasser kein Freizeitvergnügen, sondern Überleben bedeutet. Alle gähnen, jetzt kommt die Predigt. „Lass es halt regnen“, ruft einer und der Rest johlt, „du bist doch Profi in Sachen Wunder!“ Eh klar, dass niemand an diese Geschichten mehr glaubt. Wunder sind keine sichere Bank. Das ist unbequem, weil man bis zum nächsten Wunder doch wieder selbst ran muss, um die Welt zu retten. Dabei ist es schon anstrengend genug, das Gefühl der eigenen Ohnmacht nicht an die Oberfläche zu lassen. Ohnmacht ist ein Eisberg, was man sieht, ist nur die Spitze, aber das Eis schmilzt ja sowieso gerade, was soll’s also – lasst uns feiern und den Sommer genießen. Und überhaupt: war da nicht was, verwandelt Jesus selbst nicht Wasser in Wein, warum dann nicht gleich in einen Wildberry Lillet? 

Aber Jesus hat sich aus dem Staub gemacht, wahrscheinlich reicht er das Wasser gerade den Klimakleber*innen, auf dem Asphalt ist es heiß. Die nerven, Jesus nervt, dass entweder Waldbrandgefahr oder Überschwemmung ist, nervt auch. 

Ich verlasse die Party und beschließe, ins Freibad zu gehen, da dürfen wenigstens alle rein. Das Wasser ist kalt, kälter als gedacht. Ich sitze am Rand und stippe die Zehen ins Becken, da sehe ich Jesus übers Wasser kommen. Er hält ein selbstgemaltes Plakat in der Hand: „Heute schon an die Party von Morgen denken: Save the planet.“ Die Leute schwimmen einen großen Bogen um ihn, als sei er ein Gespenst, ganz allein steht er in der Mitte der Wasserfläche. Fast könnte er einem leidtun. „Komm“, ruft er. Ich hätte mich gern weggeduckt, doch er hat gesehen, dass ich ihn sehe. „Ich kann nicht“, sage ich. „Dann schwimm halt. Oder willst du wirklich, dass die Welt baden geht?“ Natürlich nicht. Also stehe ich auf, nehme Anlauf und springe rein ins kalte Wasser. Direkt vom Beckenrand. Obwohl das doch verboten ist.

in: Welt der Frauen, 7-8/23

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Kommentare: 2
  • #1

    Gundolf (Dienstag, 01 August 2023 18:55)

    Hin und wieder etwas Unbequemes machen, vielleicht auch etwas, was nicht ganz legal ist, ja, das sollte ich auch einmal wieder machen.
    Vielleicht nur etwas kleines?
    Vielleicht ein Gebet?
    Vielleicht ...?

    Danke für deine Gedanken, liebe Susanne.
    Bleib(t) behütet❣️

  • #2

    Andrea (Freitag, 25 August 2023 10:02)

    Vielleicht nur etwas kleines? ...
    Wenn jeder etwas kleines macht, und es darf legal sein, dann kann es etwas großes WUNDERbares ergeben ...
    Ein Mosaik besteht auch aus vielen ganz kleinen Einzelteilen ... und ist oft bunt, lebendig und WUNDERschön.

    Bleib(t) behütet, bunt und MUTIG!

    Danke für die guten Gedanken Susanne und auch Dir Gundolf.


 

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