Als die Freiheit streikte, stand sie mit einem selbstgebastelten Schild in der Fußgängerzone. Sie stand ganz allein da und tat mir leid, weil niemand sie beachtete. Irgendwer protestiert ja dauernd wegen irgendwas; fürs Klima, gegen den Krieg – in der Ukraine oder im Gaza, von Afrika rede ich erst gar nicht, ich bin schon froh, wenn es am Küchentisch friedlich ist. Damit habe ich genug zu tun.
Ich sehe, wie die Freiheit tapfer ihr Schild in die Höhe hält: „Unterstützung gesucht!“, lese ich, und spüre, wie Ärger in mir hochkriecht. Was sollen denn andere sagen! Die Freiheit kann doch machen, was sie will, während unsereins um acht im Büro sein muss und die Waschmaschine piept und die Kinder wollen Schokopops und anschließend muss man sie zum Zahnarzt schleppen ob sie wollen oder nicht. Man muss die Steuererklärung machen, sich für eine Zahnzusatzversicherung entscheiden, muss aufgeklärt sein über die Gefahren der KI, muss Abkürzungen kennen, um mitreden zu können, muss Katzenbilder in der Familiengruppe posten – was denn noch alles? Ich steigere mich da so richtig rein, plötzlich tut mir die Freiheit gar nicht mehr leid, im Gegenteil, ich werde immer wütender, weil die Freiheit sowas Anklagendes hat. Als seien wir Schuld an ihrer Misere. Dabei ist sie es doch, die dauernd abwesend ist. Wieso hat sie überhaupt Zeit, da zu stehen, gibt es denn nichts Wichtigeres zu tun? Daran sieht man doch, wie überflüssig sie eigentlich ist. „Eine wie dich muss man sich erstmal leisten können“, rufe ich und erschrecke über die Worte, die da aus meinem Mund kommen. Die Freiheit lächelt müde. „Mich gibt es umsonst“, sagt sie. „Du musst nur aufpassen, dass du mich nicht verlierst.“
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Gundolf (Mittwoch, 11 September 2024 15:17)
Ja, die liebe Freiheit, die ist an sehr vielen Stellen bedroht.
Ich bin froh, dass ich sie (noch) habe, und ich bete dafür, dass ich sie noch sehr lange habe, und dass auch meine Kinder sie haben werden. Und auch hoffentlich ihre Kinder.
Dass ich die Freiheit habe und haben werde, Entscheidungen selbst zu treffen und mich nicht irgend welchen Gruppen(zwängen) unterwerfen zu müssen.
Ich bete dafür.
Und singe dafür.
Yvonne (Donnerstag, 31 Oktober 2024 13:39)
Und ich bete mit.
In Freiheit leben und entscheiden zu können, gibt mir Flügel. Trotz Arztterminen, Bürostress, Kriegen, Hungersnöten...
kleine Freiheiten mit kleinen Flügeln - aber wie kostbar.
Gundolf (Mittwoch, 06 November 2024 21:54)
Nun wird der Kampf um Freiheit und den Kampf um Erhalt der Freiheit wichtiger denn je!
Bewahre uns Gott, behüte uns Gott,
sei mit uns auf unsern Wegen.
Voll Wärme und Licht im Angesicht,
sei nahe in schweren Zeiten.
Sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft,
sei in uns, uns zu erlösen.
(frei nach EG 171 zusammengefasst)